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Ausschnitte aus dem Bericht von Katharina Schuff Nr. 75 geborene Wolba Nr. 132:
...Es beunruhigte uns sehr, als sich das Gerücht verbreitete, es würden Listen von Sachsen aufgestellt. Am 14. Januar 1945 begannen in Jakobsdorf im Morgengrauen die Aushebungen. Es war wohl der schwärzeste Tag in der Jahrhunderte alten Geschichte der Jakobsdorfer. Diese Aushebung war in dem Gemeindeamt minutiös vorbereitet worden. Das ganze Dorf wurde umstellt und die Männer von 17- 45 und die Frauen von 18-30 Jahren wurden eingesammelt und in den Gemeindesaal gebracht. Bewaffnet waren diese Leute mit Gewehren, Mistgabeln oder Stöcken. Bei uns, in meinem Elternhaus in der Hintergasse Nr.132, klopfte man im Morgengrauen, es war noch dunkel, mit einem Stock kräftig ans Fenster. Als Vater das Fenster aufmachte sagten sie: “Komm mach auf, wir kommen herein, Kathi soll sich schnell anziehen und etwas zum Essen und Kleider einpacken, dann soll sie mit uns in den Gemeindesaal kommen“. Wir waren alle sehr erschrocken, sie standen im Zimmer mit ihren zugespitzten Stöcken in der Hand, sahen uns beim Einpacken zu und drängten zur Eile. Meine Mutter und mein jüngerer Bruder weinten, mein Vater war ganz verstört, wir wussten nicht was wir so schnell einpacken sollten. Zuerst Lebensmittel und dann warme Kleider. Wie oft habe ich in an die neuen Stiefel gedacht, die mir mein Vater mit Gewalt mitgeben wollte, ich aber nahm lieber schöne, leichte Schnürschuhe mit. In einen Koffer und in einen Sack hatten wir in aller Eile einiges eingepackt. Dann gingen wir in den Saal, wo man mich ablieferte. Hier waren schon viele Männer und Frauen zusammengetrieben worden. ...
...Am Nachmittag dieses 14. Januar wurden wir dann von unseren eigenen Vätern mit unserem eigenen Pferdegespann nach Agnetheln, der Kreisstadt, 14 km entfernt, gefahren. Die Wägen versammelten sich in der unteren Hälfte der Gemeinde, wohin auch wir aus dem Gemeindesaal geführt wurden. Beim Abschied flossen unzählige Tränen. Die Mütter drückten ihre kleinen Lieblinge nochmals ans Herz und verabschiedeten sich auch von den größeren Kindern, welche alle in der Obhut der Großeltern blieben. Mit den Zügeln in der Hand saßen unsere Väter auf den Wägen. Es war für sie sicherlich der schwerste Tag in ihrem Leben. Dann wurden wir auf die Wägen verladen. Ich kam mit meiner Cousine Sofia Glatz auf den Wagen meines Vaters. Auch ihr Vater war dabei. Als sich die Wagenkolonne in Bewegung setzte erfasste alle ein unbeschreibliches Weinen und Klagen, gleichzeitig fingen alle unsere Glocken an zu läuten. Ihr Klang begleitete uns bis zur Hattertgrenze. Die Wagenkolonne wurde aufs schärfste bewacht, dass ja keiner flüchten konnte. ....
...Wir wurden zur Haltestelle der Bahn, auf den Agnethler Marktplatz getrieben. Hier stand ein langer Zug mit vielen Viehwaggons bereit und wir wurden „einwaggoniert“, verladen. ...
...Die Türen wurden von Außen verriegelt. In einem Waggon waren ca 50 Personen drin, Frauen und Männer, Mädchen und Burschen. Es war sehr kalt und wir froren. Nur langsam erwärmte sich die Luft. Ein Ofen war zwar im Waggon, aber es gab kein Heizmaterial. Etwa 40 Viehwaggons waren mit Verschleppten vollgeladen, dann noch 2 - 3 Waggons mit Begleit- und Wachpersonal. ...
...Auf einem Güterbahnhof, unter Bewachung wurden wir „auswaggoniert“ und traten den 3 km langen Weg, bergauf, an. Ich hatte viel Gepäck, einen Koffer und einen vollen Sack. Auch heute erinnere ich mich dankbar an Andreas Schneider Nr.51, der mir den Sack abnahm und ihn zum Lager hinauf trug. Es war das Internierungslager 1024. In einer Holzbaracke wurde uns ein Zimmer angewiesen und durchgefroren, todmüde sanken wir hin. Das Lager war mit Stacheldrahtzaun umgeben und mit schussbereiten Wachmännern gesichert. ...
...Wir wurden zum Löchergraben von Telegrafenstangen eingeteilt. Diese Arbeit war schwer. Bei - 30°C war die Erde bis zu 50 cm tief gefroren. Das Loch musste 1,2 m tief, 1,2 m lang und 0,7 m breit sein. Drei Frauen mussten am Tag ein Loch graben, das war die Norm, ein unbekannter Ausdruck. Wenn wir vor Kälte nicht mehr aushalten konnten, gingen wir in die nahegelegenen Häuser um uns zu wärmen. Einmal erhielten wir von zwei Alten eine warme Suppe. Das war Mitleid, christliche Nächstenliebe. ...
...Zu Essen bekamen wir im Lager nur zweimal täglich je eine Blechdose Krautsuppe, grüne gesäuerte Tomatensuppe, alles mit viel Salz, kaum etwas Öl. Hie und da gab es auch einen Löffel aus Hirse und Gerste zubereiteter Brei. Die Hauptnahrung aber war das Brot, dunkelbraunes, klebriges, saures Gersten- oder Haferbrot, welches nie ausgebacken war. Die tägliche Brotmenge war verschieden. Grubenarbeiter bekamen 1200 g, Bauarbeiter 750 g und Straßenarbeiter 500 g. Auf Grund des ungesunden, salzigen Essens, der Unterernährung und Erschöpfung starben schon nach einigen Monaten relativ viele. Sofia Konnerth, Nr. 28, gehört zu den ersten die verstarben, im Mai 1945 holte sie der Typhus heim. Am 15. April 1945 kam ich in die Fördergruppe, in den Kohleschacht. Hier bekam ich die Blechmarke Nr. 314. ...
...Der lange Anmarschweg, vom Lager zum Schacht, dauerte oft mehr als eine Stunde. Die Kohleschicht in diesem Schacht war sehr dünn, höchstens 60 – 70 cm dick. Man konnte nur auf Knien kriechen, deshalb nähten wir uns „Polster“ auf die Hosen, um unsere Knie zu verschonen. Meistens musste ich, die auf eine feststehende Rutsche geworfenen Kohlen, liegend oder sitzend, mit den Beinen und dem Gesäß, hinunter stoßen. Im Schacht wurde die Kohle in Förderwägen geschaufelt, welche dann von Hand weiter geschoben wurden. In den Schächten war es sehr nass. Auf einer Strecke von ca 120 m arbeiteten wir 3 - 4 Frauen. ...
...Wenn eine Wasserader beim Bohren oder Sprengen getroffen wurde mussten wir im Wasser stehen. Das Gestein war brüchig und es kamen beim Sprengen oft größere Gesteine herunter, unsere Arbeit war wirklich lebensgefährlich. So wurde Martha Duldner, Nr.22, verschüttet und musste sterben. Sie war damals 20 Jahre alt. Beim Einsteigen in den Schacht gab man die Blechmarke mit Nummer ab und bekam eine Grubenlampe, die aber nicht immer funktionierte. Am Ende der Schicht wurde die Lampe abgegeben und man erhielt die Nummer zurück. ...
...Am 30. Oktober 1949 hieß es dann: “Die Rumänien Deutschen gehen ab morgen nicht mehr in die Arbeit, in einer Woche ist die Heimfahrt“. Unser Traum ging endlich in Erfüllung. ...
...Am 24. November kamen wir mit dem kleinen Zug von Schäßburg, zwischen 19 und 20 Uhr abends, auf dem Bahnhof in Jakobsdorf an. Die ganze Gemeinde war auf den Beinen. Die Leute waren mit den Sturmlampen zum Bahnhof, welcher 2 km vom Dorf entfernt ist, gekommen, ein Bild wie am Weihnachtsabend, wenn groß und klein in den Abendgottesdienst ging. Unsere immer noch rüstigen Adjuwanten empfingen uns mit einem zackigen Marsch. Dann lagen wir uns mit unseren Lieben in den Armen und vergossen dies mal Freudentränen. Mein Vater, meine beiden Brüder waren gekommen mich abzuholen. Zu Hause warteten meine Mutter und meine Schwägerin. Mein Bruder Sepp hatte geheiratet und sie hatten auch ein kleines herziges Mädelchen. Auch meine Mutter weinte vor Freude und beide waren wir glücklich, dass wir uns wieder hatten. Unserem lieben Herrgott aber dankten wir von ganzem Herzen und tun es auch heute noch, dass er uns wieder nach Hause geleitet hat. In den nächsten Tagen fuhr ich dann mit meinem Vater zu einem guten Arzt nach Schäßburg. Es dauerte nicht mehr lange bis ich wieder ganz gesund war. |
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